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Citizen Science in deiner Stadt

Wie läuft’s? Wissenschaftliche Ausrichtung und Ziele

Foto: Wissenschaft im Dialog, Linn Jördens

Das Aktionsjahr der aktuellen Preisträger*innen neigt sich langsam dem Ende zu. Das nehmen wir uns zum Anlass, ihre bisherigen Erfahrungen Revue passieren zu lassen und einen kurzen Blick in die Zukunft zu werfen. In dieser Blogreihe beschäftigen wir uns mit der wissenschaftlichen Ausrichtung der Projekte, den potentiellen Wirkungen sowie der Beteiligung und Motivation von Bürger*innen. Außerdem geht es um die Erfahrungen zur bisherigen Zusammenarbeit mit den lokalen Kooperationspartner*innen. 

Los geht’s mit den wissenschaftlichen Zielen der Projekte. Wir sprechen über die erhofften Wirkungseffekte und darüber, was man von den Daten lernen kann. Die Fragen wurden beantwortet von Dr. Christine Möhrs vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache mit dem Projekt Die Sprach-Checker – So sprechen wir in der Neckarstadt, Dr. Robert Hecht vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung mit dem Projekt Colouring Dresden und Stephan Kaiser vom Kulturhaus Hamburg Süderelbe mit dem Projekt Stadtrandgeschichten.

 

Was sind die wissenschaftlichen Ziele eures Projekts?

Die Sprach-Checker: Mit dem Projekt wollen wir gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen im Stadtteil Neckarstadt-West die mehrsprachige Situation in ihrem Alltag erforschen. Über verschiedene linguistische Methoden gehen wir zusammen auf Spurensuche. Die Ergebnisse halten wir in Fotos, einem Kinderbuch und sprachbiografischen Interviews fest.

Colouring Dresden: Grundlage des Projektes ist der Mangel an Daten über Gebäude - beispielsweise über die Nutzungsintensität oder den Sanierungsstand. In unserem Projekt kartieren und analysieren Bürger*innen, im Rahmen verschiedener Citizen-Science-Aktionen und -Formate, den Gebäudebestand in Dresden. Damit wollen wir zum Erhalt der Baukultur der Stadt beitragen. Unser Projekt soll den Grundstein legen und im Anschluss weiter ausgebaut werden können (Seed-funding). 

Stadtrandgeschichten: Unser Interesse gilt der Zuwanderungsgeschichte nach Hamburg Süderelbe von 1943 bis heute. Der Bezirk bot stets Raum für jene, die nirgendwo anders mehr einen Platz hatten - Kriegsflüchtlinge, Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten, Spätaussiedler*innen und auch danach Menschen, die in Deutschland Schutz suchten. Unser Ziel ist es, diese Zuwanderungsgeschichten zu erforschen und die Erkenntnisse durch eine theaterwissenschaftliche Aufarbeitung in die Öffentlichkeit zu tragen.

Was möchtet ihr mit eurer Forschung erreichen/ bewirken?

Die Sprach-Checker: Die beteiligten Bürger*innen erfahren in der aktiven Auseinandersetzung mit ihrer Sprache und der Sprache in ihrer Umgebung eine Wertschätzung ihrer persönlichen sprachlichen, meist mehrsprachigen, Wirklichkeit. Wir als Forschende möchten über das Projekt neue Zugänge und Sichtweisen auf Sprache und Sprachforschung mit Citizen Scientists gewinnen. „Citizen Science“ als Methode eines gemeinschaftlichen Erkundens und Entdeckens soll als Forschungsansatz angelegt werden, damit wir daran zukünftig anknüpfen können.

Colouring Dresden: Die durch die Bürger*innen generierten Informationen und Gebäudedaten sollen von der Forschung und der Stadtverwaltung genutzt werden können, um eine nachhaltige Transformation voranzutreiben. Wir wollen erproben und evaluieren, wie gut sich Citizen Science zur gemeinschaftlichen Kartierung eignet und welche Lerneffekte sich auf wissenschaftlicher Seite und auf Seite der Teilnehmenden ergeben. Außerdem wollen wir herausfinden, wie gut die Qualität der erhobenen Informationen ist . 

Stadtrandgeschichten: Zum einen wollen wir zusammentragen, wie und warum Ansiedlungen in Hamburg Süderelbe stattgefunden haben. Zum anderen wollen wir diese Ergebnisse auch darstellen und im theaterwissenschaftlichen Teil des Projektes in einer Performance verarbeiten. So wollen wir einen Zugang dazu schaffen, aus welchen Gründen Migration stattfindet, mit welchen Schwierigkeiten die Menschen konfrontiert sind und wie diese Schwierigkeiten behoben werden könnten. Wir wollen eine gegenseitige Neugierde schaffen, ein respektvolles Miteinander unterstützen und einen achtsamen Dialog fördern. 

Was können wir von den Ergebnissen und Daten lernen, die von den Bürger*innen erarbeitet werden?

Die Sprach-Checker: Der persönliche Bezug, der durch die nahbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit angelegt ist, schafft eine Brücke zu Forschungsfragen, die einen besonderen Erkenntnisgewinn ermöglichen: Welche Sprachbiografien bringen Menschen in der Neckarstadt-West mit? Welche sprachlichen Spuren finden sich im öffentlichen Raum und wie greifen diese Spuren die multinationale und multilinguale Wirklichkeit in diesem Raum auf? Welche Geschichten erzählen Kinder über ihre Wahrnehmung im Vielfaltsquartier, in ihrem Alltag – mit Sprachbewusstsein, aber auch mit viel Kreativität?

Colouring Dresden: Ganz allgemein haben wir durch die Einbindung von Bürger*innen Zugang zu Daten, die so noch nicht vorhanden sind. Diese Daten haben sowohl für die Forschung als auch für die Stadtverwaltung einen großen Mehrwert. Aus den erhobenen Daten können wir Rückschlüsse darauf ziehen, wie gut die Qualität der von den Bürger*innen erhobenen Informationen ist und möglicherweise auch, wie viele Beobachtungen ausreichen, um halbwegs sichere Informationen daraus ableiten zu können. 

Stadtrandgeschichten: Wenn wir einen persönlichen Rahmen schaffen, in dem sich die Menschen respektiert fühlen, berichten sie auch gerne von ihren Erfahrungen - auch von schweren und unangenehmen Erlebnissen. Es sind sehr unterschiedliche Menschen, die hierher kommen, doch es stellen sich immer wieder bestimmte Muster von Migrationserfahrung heraus. Ich hoffe, dass wir durch die historische Forschung mehr über diese Muster erfahren können und lernen, wie wir in Zukunft besser mit Migration umgehen.

 

Dieser Artikel ist Teil der Blogreihe "Wie läuft’s". In der Reihe befragen wir unsere aktuellen Preisträger*innen zu verschiedenen Themen der Umsetzung ihrer Projekte.